Hinweise zum Antrag für die betriebliche Projektarbeit (IHK, Fachinformatiker*innen)
https://bildung.social/@oerinformatik/110900934822752815
https://oer-informatik.de/ihk-projektantrag
tl/dr; _(ca. 7 min Lesezeit): Mit Einreichung der Projektanträge beginnt der zweite Prüfungsteil in den IT-Berufen. Bei den eingereichten Anträgen gibt es eine Reihe leicht vermeidbarer formeller und fachlicher Fehler, die hier gelistet werden. Außerdem gibt es einige subjektive Empfehlungen, die vielleicht helfen, den Projektantrag zu schärfen damit keine zeitfressenden Nachbesserungen nötig sind. Viele Punkte sind für alle Fachinformatiker*innen relevant, speziell zugeschnitten sind sie aber für die Fachrichtungen Anwendungsentwicklung und Daten- und Prozessanalyse. (Zuletzt geändert am 17.08.2023)_
Rahmenbedingungen der Abschlussprüfung
Die verbindlichen Regeln für den Projektantrag sind in der Ausbildungsverordnung1 festgelegt und werden von der IHK ggf. präzisiert.
Viele IHKs haben eine Umsetzungsempfehlung veröffentlicht. Der aktueller Stand findet sich auf der jeweiligen IHK-Internetseite: für die IHK-OWL z.B. hier unter IT-Berufe/Umsetzungsempfehlungen. Daneben gibt es ggf. spezielle Regelungen, die im Schriftverkehr der IHK genannt werden - bitte diese Briefe im Vorfeld der Prüfung alle genau lesen!!!
Diese Dokumente stellen offizielle Empfehlungen bzw. verbindliche Regelungen dar, die vor dem Einstieg in das Prüfungsverfahren unbedingt durchgelesen und beachtet werden sollten. Die allermeisten Fehler lassen sich durch Durchlesen dieser Dokumente vermeiden.
Für den Projektantrag werden in der Umsetzungsempfehlung ab Seite 10 Kriterien genannt. Diese sollen hier durch einige subjektive Empfehlungen ergänzt werden. Da jede IHK und jeder Prüfungsausschuss jedoch andere Schwerpunkte setzt, stellt das nur eine unter vielen Meinungen dar.
Versuch einer Checkliste für den Projektantrag
Der beste Weg ist, zunächst selbst einmal anhand der Umsetzungsempfehlung zu prüfen, ob alle Kriterien erfüllt wurden. Danach kann diese Checkliste herangezogen werden. Eine gute Idee ist es, den eigenen Antrag einer fachkundigen Person außerhalb des Betriebs zum Querlesen zu geben. Finden auch Dritte die in der Checkliste genannten Punkte?
Die meisten Fehler enthalten die Zeitpläne: die Arbeitspakete sind oft zu groß (am besten weniger als 8h), zu allgemein (“Implementierung”) oder nicht hinreichend berufsrelevanten Phasen zugeordnet (keine Planung oder Qualitätssicherung ersichtlich).
Formalitäten:
Der Antrag ist vollständig ausgefüllt (z.B. auch alle Adressen und Namen).
Die Daten der Prüfungsteilnehmer*in (z.B. Ausbildungsberuf, Einsatzgebiet) sind angegeben.
Die Angaben zu Ausbildungsbetrieb und betrieblich Betreuenden sind ausgefüllt.
Projektbezeichnung:
Die Projektbezeichnung steht ggf. auf dem Berufsabschlusszeugnis – bitte mit Bedacht wählen!!!
Die Projektbezeichnung und das Projektthema geben wesentliche Inhalte des Ausbildungsberufs wieder (passen in das Berufsbild).
Die Projektbezeichnung ist spezifisch gewählt (Negativbeispiel: “Implementierung eines Webservice zur Datenspeicherung”).
Das Projekt ist ein betrieblicher Auftrag (keine “künstliche” Aufgabenstellung).
Projektbeschreibung:
Das fachliche Niveau des Projekts ist für ein Abschlussprojekt angemessen.
Die Projektbeschreibung ist für fachkundige Dritte verständlich / nachvollziehbar.
Der Umfang des Projekts ist in der Projektbeschreibung klar erkennbar.
Das Projekt ist in der vorgegebenen Zeit durchführbar.
Das Projektergebnis ist dokumentierbar.
Der Projektnutzen ist erkennbar, die Projektbegründung daraus nachvollziehbar (Wirtschaftlichkeitsbetrachtung / Ziel des Auftrags).
Ausgangssituation
Ist-Zustand: Das Ausgangsproblem, auf dem das Projekt beruht, ist verständlich dargestellt.
Sofern bisherige Geschäftsprozesse optimiert / erweitert / verändert werden, sind diese kurz dargestellt.
Projektumfeld
Die wesentlichen Charakteristika des Projektumfelds, die zum Verständnis des Projektumfangs und des Anwendungsfalls erforderlich sind, sind kurz genannt. Dazu können beispielsweise gehören: Branche und Mitarbeiterzahl des Betriebs / der Abteilung / des Kunden. Wichtig ist hier v.a. der Teil des Betriebs, der in das Projekthineinwirkt – bei größeren Betrieben ist ggf. die Abteilungsstruktur wichtiger als die Konzernstruktur.
Die (voraussichtlich) genutzten Entwicklungswerkzeuge und Techniken bzw. Frameworks sind kurz genannt.
Die IT-Infrastruktur ist kurz beschrieben, sofern sie zur Abschätzung des Projektumfangs bekannt sein sollte.
Die Schnittstellen und Systemgrenzen sind klar definiert. Mit welchen anderen Systemen / Akteuren gibt es Überschneidungen? Was ist Bestandteil des Projekts – und (sehr wichtig): was nicht mehr?
Die Abgrenzung zu anderen Projektbeteiligten oder Teilprojekten ist nachvollziehbar: der Eigenanteil des Prüflings am Projekt ist klar herausgearbeitet, Fremdleistungen wurden genannt.
Projektziel
Die wesentlichen funktionalen Anforderungen sind genannt.
Qualitätsanforderungen (“nicht-funktionale Anforderungen”) werden genannt - insbesondere Anforderungen mit Bezug auf Sicherheit und Nachhaltigkeit werden immer stärker gefordert!
Bereits bekannte Rahmenbedingungen werden genannt.
Sofern es bereits eine Festlegung gibt, welche Anforderungen optional oder obligatorisch sind, wird dies genannt.
Zeitplan (Projektphasen mit Zeitplanung in Std):
Das Projekt ist in Projektphasen gegliedert, deren Kernaufgaben als Arbeitspakete definiert und verständlich benannt sind.
Die berufsrelevanten Phasen der Auftragsbearbeitung sind ausreichend identifiziert und zeitlich geplant. Beispielsweise sind Planung, Implementierung / Durchführung, Qualitätssicherung, Abnahme usw. als Phasen erkennbar.
Die angegebene Aufteilung in Phasen und Arbeitspakete ist durchführbar und fachgerecht.
Die Arbeitspakete und Phasen sind nicht allgemeingültig bezeichnet (z.B.: “Entwurf”), sondern auf das Projekt zugeschnitten konkretisiert.
Die Struktur- und Zeitplanung ist realistisch, die sachlogische Reihenfolge der Phasen und Arbeitspakete ist gegeben. Zeitliche Abhängigkeiten sind erkennbar.
Den definierten Phasen und Arbeitspakete sind geplante Stundenumfänge zugewiesen. (Arbeitspakete sollten einen Arbeitstag (8h) sinnvollerweise nicht überschreiten, größere Arbeitspakete sollten mit Unterpunkten konkretisiert werden).
Das Projekt sollte auf genau 80 Stunden (FIA / FIP) (40h bei FISy / FIV) geplant werden. Diese Stunden sollten komplett im Zeitplan ausgewiesen werden. Auf keinen Fall dürfen mehr Stunden verplant werden und es gibt keinen Grund dafür, weniger zu verplanen.
Die Vorbereitung der Präsentation ist nicht in der Zeitplanung enthalten.
Pufferzeiten sind nicht im Zeitplan ausgewiesen, sondern werden -falls nötig- in die jeweiligen Arbeitspakete einkalkuliert.
Es wird davon ausgegangen, dass keine “Recherche” und “Einarbeitung” in Frameworks/Programme mehr nötig ist - sie sollten also nur in begründeten Ausnahmefällen im Zeitplan auftauchen.
Der Durchführungszeitraum beginnt erst nach der voraussichtlichen Genehmigung und endet vor der Abgabefrist.
Der geplante Stundenumfang ist im Durchführungszeitraum abzuarbeiten (sinnvoll: Durchführungszeitraum mindestens 2 Wochen, Empfehlung die Abgabe auf dem Antrag auf den letzten Tag zu legen -Abgabe vorher ist in jedem Fall möglich).
Bestandteile der Projektarbeit:
Die Dokumentationsmittel sind angemessen ausgewählt.
Praxisübliche Unterlagen bzw. Unterlagen zur Kundendokumentation, die als Anlage beigefügt werden, sind genannt.
Angabe von Hilfsmitteln:
- Die Hilfsmittel für die Präsentation sind angemessen ausgewählt. (I.d.R.: Beamer)
Form, Grammatik und Rechtschreibung
Für den gesamten Prüfungsprozess gilt: Es ist hilfreich, nein: unerlässlich
die Rechtschreibkorrektur des Textverarbeitungsprogramms zu nutzen und
den Antrag von einer oder einem Dritten Korrektur lesen zu lassen.
Links und weiterführende Informationen
Hinweis zur Nachnutzung als Open Educational Resource (OER)
Dieser Artikel und seine Texte, Bilder, Grafiken, Code und sonstiger Inhalt sind - sofern nicht anders angegeben - lizenziert unter CC BY 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: “Hinweise zum Antrag für die betriebliche Projektarbeit (IHK, Fachinformatiker*innen)” von oer-informatik.de (H. Stein), Lizenz: CC BY 4.0. Der Artikel wurde unter https://oer-informatik.de/ihk-projektantrag veröffentlicht, die Quelltexte sind in weiterverarbeitbarer Form verfügbar im Repository unter https://gitlab.com/oer-informatik/projekt/ihk-projekt. Stand: 17.08.2023.
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Verordnung über die Berufsausbildung zum Fachinformatiker und zur Fachinformatikerin (Fachinformatikerausbildungsverordnung – FIAusbV) vom 28.2.2020, jeweils aktueller Link über die Seite QualisNRW↩